155 Jahre öffentliche Wasserversorgung
Vor 155 Jahren, am 7. Juni 1867, begann in Rostock eine neue Ära. Mit der Inbetriebnahme des Wasserwerkes und dem damit verbundenen Aufbau eines verzweigten Wassernetzes war der Grundstein für die zentrale öffentliche Wasserversorgung in der stark anwachsenden Stadt gelegt.
Für die Rostocker begann mit der zentralen Wasserversorgung eine bedeutende Steigerung der Lebensqualität.
Die frühe Wasserversorgung erfolgte durch Schöpfen und Tragen von Wasser aus Gräben, Teichen und Flüssen, später aus Brunnen mit Pumpen. Sogenannte Borngesellschaften lieferten das ungereinigte Wasser für die Rostocker Bevölkerung noch bis 1867 über vorwiegend hölzerne Leitungen mit natürlichem Gefälle in die Stadt. Erkrankungen, wie bei den Choleraepidemien 1850 und 1859 in Rostock, waren auch auf das verunreinigte Trinkwasser zurückzuführen.
Mit der Übergabe der ersten öffentlichen Wasseranstalt „durch die Bau-Commission an die Stadt Rostock“ begann am 07. Juni 1867 die Geschichte der zentralen Wasserversorgung in der Hansestadt Rostock.
Die erste öffentliche Wasseranstalt entstand auf dem Grundstück der Gasanstalt – nahe der Bleicherstraße. Wasser wurde über einen Kanal aus der Oberwarnow zugeführt und in drei Filterbecken geleitet, wo es gefiltert wurde. Das gereinigte Wasser pumpte man mittels zweier Kolbenpumpen bis zum ersten Rostocker Wasserturm auf dem Oberwall, unweit des Klosters zum Heiligen Kreuz. Von diesem Punkt wurde es in das vorerst 20 Kilometer lange Rohrnetz verteilt.
Der rasche Bevölkerungsanstieg führte das Wasserwerk an der Bleicherstraße bereits in den 1880er Jahren an seine Grenzen. 1890 war die Einwohnerzahl bereits auf mehr als 44.000 angewachsen (1867 noch rd. 25.000). Ein neues Werk wurde immer dringender benötigt. Am Rande der Steintorvorstadt, in Nähe der Oberwarnow, fand man ein neues Terrain. Die natürliche Hanglage begünstigte die verschiedenen technologischen Stufen der Wasseraufbereitung. Mit 43 Kilometern hatte sich das Rohrnetz inzwischen mehr als verdoppelt.
Der Bau des „neuen“ Wasserturms an der heutigen Blücherstraße zwischen 1901 und 1903 markierte einen weiteren Fortschritt in der Rostocker Wasserversorgung. Damit waren auch Pläne vom Tisch, die in Warnemünde einen kombinierten Leucht- und Wasserturm vorsahen. Der erzeugte Wasserdruck reichte aus, um die Innenstadt und den Badeort mit Trinkwasser zu versorgen. Bis 1914 überstieg der Jahresverbrauch die Viermillionen- Grenze (in Kubikmeter), bei etwa 70.000 Einwohnern in Rostock.
Die Stadterweiterungen und der Bevölkerungszuwachs zwischen den beiden Weltkriegen erforderten einen Ausbau des Wassernetzes. Im Laufe der 1920er Jahre schloss man den Einbau von Wassermessgeräten in jedem Haushalt ab. 1935 wurde Rostock mit über 100.000 Einwohnern zur Großstadt. 1940 erreichte das Rohrnetz 214 Kilometer Länge und der jährliche Trinkwasserverbrauch überstieg erstmals die 10 Millionen-Kubikmeter-Marke. Neue, komplexere Reinigungsanlagen wurden bis zum Kriegsausbruch 1939 erbaut. Bei den Luftangriffen im April 1942 nahmen nicht nur Menschen und viele historische Gebäude Schaden, auch Anlagen der Wasserversorgung wurden stark in Mitleidenschaft gezogen.
Schema der Förder- und Aufbereitungsanlage (Oberfläche) des Rostocker Wasserwerkes 1947
Übersicht und Bezeichnungen der einzelnen Betriebsteile
1 Warnow 2 Tauchwand 3 Zuleitungskanal 4 Schöpfstelle, Pumpenhaus 5 Zulaufkanal 6 Maschinenhaus 7 Pumpenverteilung | 8 Chloranlage 9 Langsamfilter 10 Langsamfilter 2 11 Langsamfilter 3 12 Langsamfilter 4 13 Langsamfilter 5 14 Langsamfilter 6 | 15 Reinwasserbehälter 1 (1.139 m³) 16 Reinwasserbehälter (2.278 m³) 17 Geschl. Schnellfilteranlage 18 Sandwäsche 19 Absitz-Becken 20 Aktivkohle-Filter-Anlage | 21 Filterhaus 22 offene Filteranlage 23 Flocken-und Fällmittelanlage 24 Wasserturm 25 Verbraucher |
Von Trümmern beräumte Straßen und ausgebrannte Häuser bestimmten das Bild der Rostocker Innenstadt im Frühjahr 1945. Eine Stammbesetzung von zunächst zehn Personen hielt den Betrieb im Wasserwerk aufrecht. Gleichzeitig begann man mit der Reparatur des Rohrnetzes, da es enorme Wasserverluste durch defekte Leitungen gab. Trotz Materialknappheit konnten bis Mitte 1947 die ersten Filterbecken gefüllt und Anlagenteile vervollständigt werden, so dass die Filteranlagen wieder betriebsfähig waren. Ab 1948 konnte die Wasserversorgung für die 127.000 Einwohner wieder gewährleistet werden.
Nach Gründung der DDR platzte Rostock aus allen Nähten. Das war u. a. Folge der fortschreitenden Industrialisierung (Schiffbau, Dieselmotorenbau, Fischerei, Nahrungsgüter) und der damit verbundenen Arbeitsplätze. 1952 wurde ein „Städtebauliches Rahmenprogramm“ durch den Ministerrat der DDR beschlossen –neue Wohnhäuser wurden gebaut. 1957 folgte der Spatenstich zum Bau des Überseehafens. Bis 1960 zählte Rostock fast 160.000 Einwohner. Dieser Entwicklung musste auch die Wasserwirtschaft folgen: Mit den neuen Maschinen und Anlagen wurden 1963 Fördermengen von 90.000 Kubikmetern Wasser pro Tag erreicht.
Rostock wuchs auch in den 1980er Jahren (z. B. Dierkow, Toitenwinkel) beständig. Die Stadterweiterung ging einher mit dem Ausbau des Rostocker Wasserwerkes und des Trinkwassernetzes. Man setzte dabei weiter auf die Warnow als Rohwasserquelle und erklärte die Untere Warnow zur „Trinkwasserschutzzone“. Am Ende des Jahres 1989 lebten in Rostock 252.956 Einwohner, die Wasserförderung erreichte eine tägliche Kapazität von über 100.000 Kubikmetern.

Nach der politischen Wende 1989/90 gehörte es zu den ersten Maßnahmen, eine „Schönung“ des Reinwassers mittels Aktivkohle vorzunehmen (Entfernung von Geruchs- und Geschmacksstoffen). Weiterhin wurde das Wasserwerk durch eine moderne Vor- und Hauptozonung sowie Schlammbehandlung erweitert. Die im September 1995 eingeweihte Anlage desinfiziert mit injiziertem Ozon das Wasser. Im Ergebnis konnte die Chlorzugabe stark gesenkt werden. Auf den enormen Rückgang des Wasserbedarfs musste durch schrittweisen Rückbau nicht mehr benötigter Anlagen reagiert werden. Der durchschnittliche Tagesbedarf der Rostocker beträgt gegenwärtig 35.000 Kubikmeter. Das Wasserwerk verfügt aber über eine Kapazität von 50.000 Kubikmetern, um auch auf zukünftige Entwicklungen reagieren zu können.
Heute betreibt Nordwasser als kommunales Unternehmen im Auftrag des Warnow-Wasser- und Abwasserverbandes das Rostocker Wasserwerk. Über das rund 1.000 km verzweigte Leitungsnetz wird das Lebensmittel Nr. 1 in bester Qualität an die Verbraucher in der Hanse-und Universitätsstadt Rostock und 17 Gemeinden im Landkreis Rostock verteilt.
Die reibungslose Versorgung der Verbraucher mit frischem Trinkwasser ist eine logistische und technische Herausforderung. Damit der Versorgungsdruck auch in höher gelegenen Wohngebieten stabil bleibt, gibt es im Stadtgebiet 10 Druckstationen und Druckerhöhungsanlagen, unter anderem in der Gartenstadt und am Hochbehälter zur Trinkwasserspeicherung in Biestow.
